Japan ist für mich nicht nur das Land der heißen Quellen, sondern auch das Land der inspirativen Quellen. Die japanische Kultur ist so vielschichtig und tiefgehend, dass ich immer wieder neu fasziniert bin. Kein anderes Land hat mich bisher so in seinen Bann gezogen.

Anime

Meine ersten Berührungen mit der japanischen Kultur hatte ich schon sehr früh: Die ersten TV-Serien, die ich als Kindergartenkind gerne geschaut habe, waren unter anderem die Biene Maja und Heidi. Was das mit Japan zu tun hat? Nun, beide Serien basieren zwar auf deutschen Romanen, sind aber in Japan produziert worden. Der Zeichenstil und vor allem die Charakterdarstellung sind typisch für japanische Zeichentrickserien, in Japan Anime genannt. Amerikanische Zeichentrickserien, die ich ebenfalls sehr gerne geschaut habe, sind dagegen sehr eindimensional, mit stereotypischen Charakteren und Weltbildern.

Während sich Zeichentrick in Amerika und Westeuropa hauptsächlich auf Kinder als Zielgruppe fokussiert, sind Animes viel breiter gefächert. In Japan gibt es für jedes Alter und Geschlecht passende Animes, es ist also für jeden etwas dabei.

Manga

Animes waren für mich aber nur der Einstieg in die japanische Kultur. Manga, der japanische Begriff für Comic, ist quasi der Ursprung vieler Animes, denn ein nicht unerheblicher Anteil sind Film- oder Serienumsetzungen von Mangas. Gezeichnet sind Mangas in den meisten Fällen lediglich in Schwarzweiß, erzählen aber oft tiefergehende Geschichten als ihre bunten Verwandten aus den Vereinigten Staaten. Die klassische Superheldenwelt, in der Gut gegen Böse kämpft, sind in Mangas eher die Ausnahme. Auch die Charaktere lassen sich häufig nicht in Schubladen einordnen.

Moderne und Tradition

Manga und Anime erzählen aber nicht nur fantastische Geschichten, sie zeigen auch häufig kulturelle Eigenheiten aus Japan. Manche dieser Eigenheiten können etwas seltsam, skurril oder sogar unangenehm für uns in Deutschland sein, aber das macht für mich auch einen Teil der Faszination aus. Japan ist einfach anders als Deutschland und der Rest der Welt, es lässt sich mit keinem anderen Land vergleichen. Es gibt kein anderes Land, in dem moderne und traditionelle Kultur so breit gefächert und dennoch so stark miteinander verwoben sind.

Hier ein Beispiel, das es vielleicht etwas verdeutlicht: Viele Japaner haben ein Faible für Roboter und technischen Schnickschnack. In Tokio kann man fast alles in Automaten kaufen. Gleichzeitig gibt es in Tokio noch immer praktizierende Geishas, Ninja und sogar noch Nachfahren der Samurai. Natürlich tragen Samurai und Ninja ihren Titel nicht mehr offiziell, aber es handelt sich noch immer um eine Tradition, die über Jahrhunderte weitergegeben wurde. Auf der einen Seite lieben Japaner also die moderne Technologie mit all ihren Vorteilen, auf der anderen Seite pflegen sie ihre Tradition mit äußerster Sorgfalt.

Absolute Hingabe

Überhaupt sind Japaner sehr hingebungsvoll, was ihre Hobbys und ihre Berufung betrifft. Die Arbeit ist für viele mehr als nur Job. Selbst der Lokführer gibt bei jeder Fahrt sein Bestes, damit der Zug pünktlich am Bahnhof eintrifft. Klappt dies einmal nicht, wird die Entschuldigung nicht einfach dahingesagt, weil er es muss, nein, die Entschuldigung ist wirklich ernst gemeint.
Diese Hingabe zur alltäglichen Arbeit zieht sich durch alle Berufsgruppen. Vom Staatsanwalt bis zum Sushi-Koch, sie alle stecken viel Leidenschaft in ihren Beruf, opfern sich auf für ihren Arbeitgeber und machen freiwillig Überstunden, ohne zu klagen. Das ist eine völlig andere Denkweise als wir es hier aus Deutschland kennen.

Gesellschaft vor Individuum

In Japan wird großen Wert auf das gesellschaftliche Zusammenleben gelegt. Das beginnt schon in der Schule, wo wirklich jeder eine Schuluniform trägt und die Klassenräume (und manchmal sogar die Toiletten) von den Schülern selbst sauber gehalten werden müssen. Da kommt nachmittags kein Putzdienst wie bei uns. Allgemein ist es in Japan an öffentlichen Plätzen viel sauberer. Seinen Müll einfach auf die Straße zu werfen, ist dort absolut undenkbar.
An seinem Arbeitsplatz die Kollegen im Stich zu lassen, weil man sich kurzfristig Urlaub nimmt oder früher geht, ist in Japan ebenso ungern gesehen wie ungewaschen das Becken eines Badehauses zu betreten. Das alles nur aus Rücksicht auf den Nächsten. Dass bei all diesem gesellschaftlichen Druck das Individuum auch mal zurückbleibt, wird wissend in Kauf genommen. Aus diesem Grund hat Japan zwar einer der höchsten Selbstmordraten weltweit, aber auch einer der niedrigsten Mordraten weltweit.

Heiße Quelle der Inspiration

Apropos Badehäuser: Das Baden hat in Japan eine lange Tradition. Heute ist das Baden eigentlich kein Akt zum Waschen, es dient vielmehr der Entspannung. Dazu muss man nicht zwingend eines der zahlreichen Badehäuser besuchen, sondern kann sich es sich auch in der heimischen Badewanne gemütlich machen, wobei auch hier die Regel gilt, dass man sich vorher gründlich wäscht. Am liebsten besuchen Japaner zum Baden aber die berühmten heißen Quellen. Dort wird das Wasser durch Vulkannähe erhitzt und das Baden soll darin besonders gesund sein. Wie gesund das Baden darin tatsächlich ist, kann ich nicht beurteilen, ich kann mir aber gut vorstellen, dass so ein entspanntes Bad in einer heißen Quelle die Kreativität fördert. Der ein oder andere Manga-Autor wird hier sicherlich schon die nötige Inspiration für sein Werk gefunden haben.

Das war der erste kleine Ausflug zu meiner vermutlich größten Inspirationsquelle: Japan. Ich hoffe, der Artikel konnte euch einen guten Eindruck vermitteln, warum mich dieses Land so fasziniert und auf alle meine Bücher großen Einfluss ausgeübt hat. Und da Japan und die Menschen dort noch ausreichend Stoff zu bieten haben, kann ich mir gut vorstellen, dass es noch einen zweiten oder dritten Artikel dazu geben wird. Haltet also die Augen offen!