Manchmal fühle ich mich wie ein Schauspieler. Und das obwohl ich es ganz und gar nicht leiden kann, vor einem Publikum oder einer Kamera zu stehen.

Gute Schauspieler, egal ob sie nun auf Bühnen stehen oder in Filmstudios unterwegs sind, haben eins gemeinsam: Sie gehen voll und ganz in ihrer Rolle auf. Sie bereiten sich auf den Charakter, den sie spielen sollen, genauestens vor, beschäftigen sich mit ihm, versetzen sich in seine Lage. Nur so sind gute Schauspieler in der Lage, die Rolle richtig auszufüllen. Manch ein Schauspieler geht sogar so weit und verändert radikal seinen Körper. So geschehen unter anderem bei Christian Bale, der extra für den Film »Der Maschinist« 30 Kilogramm abnahm, nur um als abgemagerter Hauptprotagonist seiner Rolle gerecht werden zu können.

Ganz so weit muss ich zum Glück nicht gehen, aber als Schriftsteller ähnelt meine Arbeit der eines Schauspielers doch stärker als die meisten annehmen. Wenn ich über einen bestimmten Charakter schreibe, dann muss auch ich mich in die Lage der Person versetzen, mich mit ihr auseinandersetzen. Ich versuche dann, die Welt aus den Augen dieses Charakters zu betrachten, mache mir Gedanken darüber, was der Charakter in bestimmten Situationen sagen oder wie er handeln würde. Das erfordert ein hohes Maß an Empathie und Vorstellungskraft – die gleichen Fähigkeiten, die auch ein guter Schauspieler benötigt, wenn er in seiner Rolle überzeugen möchte. Ich will damit nicht sagen, dass ich ein guter Schauspieler wäre (was ich nämlich nicht bin), denn dazu gehören natürlich noch andere Fähigkeiten. Ebenso ist ein guter Schauspieler nicht automatisch auch ein guter Schriftsteller. Und dennoch finde ich es bemerkenswert, dass diese zwei völlig unterschiedlichen Berufe überraschende Gemeinsamkeiten aufweisen.